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AutorenbildThomas Mack

Mit dem Regenbogenchor in die Ukraine!



Wenn es um Reiseziele mit LGTBI* Charakter geht, denkt man nicht unbedingt an die Ukraine. Und doch hat sich im vergangenen Jahr Ende August eine Schar von ca. 30 Münchner Chorsänger*innen plus Begleiter auf die Reise nach Odessa begeben. Wir zwei mit dabei. Mit nur 4! Probetagen wurde mit einem zusammengewürfeltem Chor ein ungefähr 30 minütiges Programm mit 6 Musiknummern einstudiert – von Nenas „99 Luftballons“ über „Shallow“ von der Lady Gaga bis zu einem Schlager aus der Ukraine. Und das, was am Valentinstag im Februar – damals hatten wir uns entschieden mitzuwirken – noch ewig weit weg schien, war plötzlich zum greifen nah – auf unterschiedlichsten Wegen reisten wir Münchner nach Odessa – einige sogar mit der Bahn! So machten wir die ersten Eindrücke hier zu zweit: Ein Fahrer mit Namensschild erwartete uns am Flughafen und so ging es mit schnellstmöglichem Tempo ins Hotel. Um 22 Uhr in Odessa Geld wechseln, etwas einkaufen oder Essen bekommen – alles kein Problem, die Stadt schläft noch lange nicht. Und uns gefallen die kitschig beleuchteten Straßen, die Cafes, Imbisse – und unzählige Karren, wie wir sie von Eisverkäufern kennen – nur dass hier Schnaps und Liköre angeboten werden. Leider wurde die erste Freude etwas getrübt, als eine alte, bettelnde Frau sich zu uns an den Tisch setzte und scheinbar nicht eher gehen wollte, bis wir ihr Geld geben hätten! Das war eine Form der Aufdringlichkeit die uns neu war – dabei bereisten wir kürzlich Marokko und hatten diesbezüglich schon dort einiges erlebt. Irgendwann hat die Bettlerin dann doch aufgegeben – und kurz darauf wir auch - Richtung Hotel.


Freitag, 30. August – Chorfestival in Odessa. Wir proben vormittags vor Ort – die Outdoor Location ist cool, das Klavier auf der Bühne allerdings schrecklich – und die Zusatzprobe am Nachmittag fällt fast komplett aus, da lange Zeit kein Schlüssel da ist, für unseren Probenraum. Dafür informiert uns der stellvertretende Konsul unserer deutschen Botschaft wie die derzeitige politische Lage hier ist. Der – inzwischen spätestens durch Donald Trump allerorts bekannte Ukrainische Präsident Selenskyj war damals erst seit kurzem im Amt und man konnte ihn noch nicht so richtig einschätzen. Jedenfalls wurde Schutz zugesagt – für die Veranstaltung am Abend – vor allem aber für den Marsch am nächsten Tag. Wir sind nicht beunruhigt, aber (an)gespannt. Das Festival verläuft problemlos, ein bunter, fröhlicher Mix aus Travestie, Songwriter, Chören und dann abschließend wir. Wenn wir bei Nena noch irritierte Gesichter ernteten brach das Eis bei Lady Gaga und spätestens bei der ukrainischen Nummer flogen uns die Herzen nur so zu. Es folgte aber keine Party bis in die frühen Morgenstunden – der Umzug am nächsten Tag warf seine Schatten voraus... Pride in der Ukraine! Das hat nichts zu tun mit Party, Technogewummer, freizügigen Outfits oder "aufgefummelten" Drags.

Pride in Odessa - das heißt nicht jeder will sich dort unvermummt zeigen, Gegendemonstranten drohen und mit Hölle und Fegefeuer und viel, wirklich viel Polizeipräsenz! Botschafter aus Deutschland, Kanada, den Staaten, Schweden, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, stärken den Aktivisten vor Ort den Rücken - und natürlich irgendwie auch wir! Es ist so ganz anders, wie bei einem CSD hierzulande - wir erleben, wie ein Gegner immer wieder versucht, seine Homophobie in die Kamera zu halten, wie sich eine junge Frau auf den Boden legt um dem Zug zu stoppen, ein Ukrainer sich eine Regenbogenfahne aus dem Zug schnappt, damit weg rennt, oder eine ältere, schon fast fanatische Dame verzweifelt an unsere große Flagge krallt und erst durch mehrere Beamte weg getragen werden kann. Zuletzt werden manche Demonstranten mit Bussen in Sicherheit gebracht, oder wie bei uns gezeigt, welche Straßen gemieden werden sollen - zum Glück ist unser Hotel gleich nebenan - und zum abschließend wissen wir: es gab des keine Verletzten, oder schlimmeres!


Zwei Gefühle bleiben - ein mulmiges - und eines, dass uns bestätigt, wie wichtig und richtig es war, hier dabei gewesen zu sein! Unser Rückflug bescherte uns einen Stop-Over in Kiew. Und eine Mitsängerin warnte mich – meine neuen Schuhe mit den Regenbogenflaggen auf den Seiten würde sie dort nicht tragen. Sie hatte nicht unrecht – so willkommen wir uns am Schwarzen Meer gefühlt haben, die Hauptstadt der Ukraine ist ein trutziges Bollwerk, dass mit riesigen Statuen und goldenen Kuppeln protzt. Und wir sehen wirklich viele Leute, denen wir nicht auf die Nase binden wollten würden, dass wir ein Paar sind. Es fühlt sich an wie damals, als man peinlich darauf bedacht war, ja nicht preis zu geben, dass man schwul ist. Und jetzt fällt uns auch wieder die Passkontrolle bei der Einreise ein – als uns der Beamte frage: „Brothers?“ „A kind of...“ …meine Antwort.



Spätestens zur Wiesn sind alle Sänger wieder in München angekommen und im November gaben wir das gleiche Konzert hier in München noch einmal – bei der „Woche der Vielen“ - und wieder fühlte es sich richtig an, dabei gewesen zu sein!

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